Problemtypen 2 - Referenz
1. Was versteht man unter Referenz?
2. Zwei Bedingungen für erfolgreiche Referenz
3. Zwei Hauptprobleme beim Referieren und zwei Tipps
4. Übungen zum erfolgreichen Referieren auf Gegenstände
5. Literatur
Unter Referenz verstehen wir die Bezugnahme von Sprechern auf
bestimmte Gegenstände. Unter Gegenständen verstehen wir dabei auch
Personen, Ereignisse (z.B. eine Diskussion) oder abstrakte Gegenstände
(z.B. eine Bedeutungstheorie).
Die Aktivität der Bezugnahme bezeichnet man als referieren auf
etwas. Man sagt also: Der Sprecher S referiert mit dem Ausdruck A
auf den Gegenstand G.
Typische sprachliche Ausdrücke zur Bezugnahme (zum Referieren) sind
Nominalausdrücke wie die traditionelle Vorstellungstheorie.
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Damit der Leser oder Hörer verstehen kann, auf welchen Gegenstand der Schreiber mit einem bestimmten Ausdruck Bezug nimmt, müssen mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein.
Der Schreiber muss
(i) |
einen geeigneten Ausdruck verwenden, der den betreffenden Gegenstand
ausreichend genau kennzeichnet und von anderen Gegenständen
unterscheidet,
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(ii) |
sicherstellen, dass der Leser das nötige Wissen hat, um aufgrund des
verwendeten Ausdrucks den richtigen Gegenstand zu identifizieren.
|
Ein Beispiel für die (un)geeignete Wahl eines Ausdrucks zum Referieren
Nehmen wir an, ein Rezensent schreibt in einer Buchbesprechung den
folgenden Satz:
(1) |
Die Beispiele sind wenig überzeugend.
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Wenn er mit die Beispiele eine bestimmte Gruppe von Beispielen
in dem rezensierten Buch meint, ist der Bezug zu ungenau. Der Leser
der Rezension wird sich fragen: Welche Beispiele meint der Rezensent?
(Vielleicht alle? Oder ganz bestimmte?) Nehmen wir dagegen an, der
Rezensent hätte im vorhergehenden Satz schon die Beispiele eingeführt,
von denen er reden will, etwa wie in (2a), dann wäre die Verwendung
von (1) für den Leser problemlos, denn der Verfasser hätte ihm mit
(2a) schon das nötige Wissen vorgegeben:
(2)(a) |
In Kapitel 7 werden einige Beispiele für abweichende Sätze gegeben.
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(b) |
Die Beispiele sind wenig überzeugend.
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Nehmen wir nun an, der Rezensent möchte nicht einen Vorspann-Satz wie
(2a) verwenden, sondern direkt auf die von ihm gemeinten Beispiele
Bezug nehmen. In diesem Fall müsste er einen komplexeren Ausdruck wie
(3) verwenden, um die gemeinten Beispiele genau zu identifizieren:
(3) |
Die in Kapitel 7 gegebenen Beispiele für abweichende Sätze sind wenig
überzeugend.
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Zwei Beispiele für fehlendes Wissen des Lesers
Fehlendes Wissen kann auch bei folgenden beiden Beispielen für
Bezugnahme zu Problemen führen:
(4) |
Stellvertretertheorien müssen zeigen, wie das
Repräsentationsverhältnis zwischen Zeichen und Gegenstand hergestellt
wird.
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Der Ausdruck Stellvertretertheorien ist kein allgemein gebräuchlicher
Ausdruck zur Kennzeichnung einer bestimmten Art von Bedeutungstheorie,
so dass man normalerweise nicht sicher sein kann, dass ein
nicht-spezialisierter Leser weiß, auf welche Arten von Theorien man
damit Bezug nimmt.
Ähnlich verhält es sich mit Beispiel (5):
(5) |
Austin erhält die am Anfang von "How to things with words" vertretene
Auffassung vom Status der Konstative nicht aufrecht.
|
Wer nicht weiß, welche Auffassung Austin am Anfang des genannten Buchs
vertreten hat, weiß nicht, auf welche Auffassung der Schreiber von (5)
Bezug nimmt. Ein Leser mit diesem Wissensstand kann keine nähere
Antwort geben auf die Frage: Um welche Auffassung geht es hier?
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Referenzprobleme gehören zu den häufigsten und unangenehmsten Problemen für die Verständlichkeit von Texten. Das gilt auch für Texte, die im Zusammenhang des Studiums geschrieben werden.
Aus den im vorgehenden Abschnitt genannten Bedingungen für das erfolgreiche Referieren lassen sich zwei Hauptprobleme und zwei dazugehörige Tipps ableiten.
1.
PROBLEM |
Genauer Bezug:
Der Schreiber benutzt zum Referieren auf einen Gegenstand einen
Ausdruck, der den Gegenstand nicht genau genug identifiziert. In
diesem Fall kann der Leser nicht wissen, genau welchen Gegenstand
der Schreiber meint. Das macht möglicherweise einen ganzen
Textabschnitt unverständlich.
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TIPP |
Überlegen Sie sich, welcher Ausdruck geeignet ist, den von Ihnen
gemeinten Gegenstand genau zu identifizieren. Verwenden Sie
gegebenenfalls einen komplexeren Nominalausdruck, um den Kreis der
möglichen Gegenstände einzuschränken. Schreiben Sie also statt das
Problem gegebenfalls das Problem der Komplexität oder das Problem
der Komplexität der Nominalphrase. Bedenken Sie dabei allerdings,
dass solche komplexen Ausdrücke die Lesbarkeit Ihres Textes
vermindern können.
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2.
PROBLEM |
Wissensvoraussetzungen:
Der Schreiber benutzt zum Referieren auf einen Gegenstand einen
Ausdruck, dessen Verwendung ein Wissen voraussetzt, das der Leser
nicht hat. Auch in diesem Fall kann der Leser nicht wissen, welchen
Gegenstand der Schreiber meint. Auch das macht möglicherweise einen
ganzen Textabschnitt unverständlich.
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TIPP |
Versuchen sie beim Referieren das Wissen möglicher Leser zu
kalkulieren. Fragen Sie sich, ob der Leser das wissen kann, was Sie
bei der Bezugnahme auf einen Gegenstand voraussetzen.
Speziell beim Schreiben von Zusammenfassungen muss man beachten,
dass die Leser normalerweise den Ausgangstext der Zusammenfassung
nicht kennen, so dass man das im Ausgangstext vermittelte Wissen
nicht voraussetzen kann.
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Im einleitenden Kapitel zu einem Buch von Manfred Muckenhaupt findet sich folgender Abschnitt:
"Die Förderung und Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten und das
Vermitteln von Einsichten in Zusammenhänge sprachlichen Handelns sind
in den letzten Jahren als allgemeine Lernziele des
Primärsprachunterrichts anerkannt worden. Schüler sollen befähigt
werden, erfolgreich an Kommunikationen teilzunehmen, selbst angemessen
sprachlich zu handeln und die Handlungen ihrer Partner besser zu
verstehen. Das vorliegende Buch zeigt am Beispiel von zwei
Unterrrichtseinheiten, welche Aufgaben sich bei der Konkretisierung
der allgemeinen Lernziele stellen und wie diese Aufgaben bewältigt
werden können."
(Muckenhaupt, Manfred: Lernziel sprachliches Handeln. Beispiele für
einen kommunikativen Sprachunterricht in der Sekundarstufe I. München
1978, 9)
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Eine studentische Zusammenfassung des Einleitungskapitels beginnt mit
folgendem Satz:
(1) |
Muckenhaupt beschäftigt sich in seinem Buch mit der Konkretisierung
der allgemeinen Lernziele.
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Aufgabe 1 - Zur Musterlösung
Geben Sie an, welche Frage sich der Leser der Zusammenfassung in Bezug
auf die erwähnten Lernziele stellen wird, und geben Sie mindestens
eine bessere Formulierung für (1), die diese Frage beantwortet.
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Eine kurze Zusammenfassung eines Buches beginnt mit den folgenden
Sätzen:
(1) Die im ersten Kapitel des Buches diskutierten Probleme können hier
nicht näher behandelt werden. (2) Das zweite Kapitel beschäftigt sich
mit dem Zentralgedanken von "Über Sinn und Bedeutung". (3) Im weiteren
Verlauf des Texts werden auch die wichtigsten instrumentalistischen
Bedeutungstheorien behandelt.
Aufgabe 2 - Zur Musterlösung
Erläutern Sie, warum diese Zusammenfassung für einen Studienanfänger
schwer zu verstehen ist. Zeigen Sie zu diesem Zweck, welches Wissen
ein Leser haben müsste, der den Bezug der kursiv ausgezeichneten
Ausdrücke in diesem Text genau verstehen wollte. Warum ist der Text
vielleicht trotzdem nicht ganz nutzlos für einen Leser, der dieses
Wissen nicht hat?
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Searle, John R. (1971): Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt am Main.
(Kap. 2, Abschnitt 3 und Kapitel 4).
Fritz, Gerd (1982): Kohärenz. Grundfragen der linguistischen Kommunikationsanalyse. Tübingen. (Kap. 6: Reden über).
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