Schreibkompetenz: Zusammenfassungen
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Institut für Germanistik
Gerd Fritz
 

Problemtypen 2 - Referenz

1. Was versteht man unter Referenz?
2. Zwei Bedingungen für erfolgreiche Referenz
3. Zwei Hauptprobleme beim Referieren und zwei Tipps
4. Übungen zum erfolgreichen Referieren auf Gegenstände
5. Literatur

1. Was versteht man unter Referenz?

Unter Referenz verstehen wir die Bezugnahme von Sprechern auf bestimmte Gegenstände. Unter Gegenständen verstehen wir dabei auch Personen, Ereignisse (z.B. eine Diskussion) oder abstrakte Gegenstände (z.B. eine Bedeutungstheorie).
Die Aktivität der Bezugnahme bezeichnet man als referieren auf etwas. Man sagt also: Der Sprecher S referiert mit dem Ausdruck A auf den Gegenstand G.
Typische sprachliche Ausdrücke zur Bezugnahme (zum Referieren) sind Nominalausdrücke wie die traditionelle Vorstellungstheorie.

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2. Zwei Bedingungen für erfolgreiche Referenz

Damit der Leser oder Hörer verstehen kann, auf welchen Gegenstand der Schreiber mit einem bestimmten Ausdruck Bezug nimmt, müssen mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein.

Der Schreiber muss

(i)  einen geeigneten Ausdruck verwenden, der den betreffenden Gegenstand ausreichend genau kennzeichnet und von anderen Gegenständen unterscheidet,
(ii)  sicherstellen, dass der Leser das nötige Wissen hat, um aufgrund des verwendeten Ausdrucks den richtigen Gegenstand zu identifizieren.

Ein Beispiel für die (un)geeignete Wahl eines Ausdrucks zum Referieren

Nehmen wir an, ein Rezensent schreibt in einer Buchbesprechung den folgenden Satz:

(1)  Die Beispiele sind wenig überzeugend.

Wenn er mit die Beispiele eine bestimmte Gruppe von Beispielen in dem rezensierten Buch meint, ist der Bezug zu ungenau. Der Leser der Rezension wird sich fragen: Welche Beispiele meint der Rezensent? (Vielleicht alle? Oder ganz bestimmte?) Nehmen wir dagegen an, der Rezensent hätte im vorhergehenden Satz schon die Beispiele eingeführt, von denen er reden will, etwa wie in (2a), dann wäre die Verwendung von (1) für den Leser problemlos, denn der Verfasser hätte ihm mit (2a) schon das nötige Wissen vorgegeben:

(2)(a)  In Kapitel 7 werden einige Beispiele für abweichende Sätze gegeben.
(b)  Die Beispiele sind wenig überzeugend.

Nehmen wir nun an, der Rezensent möchte nicht einen Vorspann-Satz wie (2a) verwenden, sondern direkt auf die von ihm gemeinten Beispiele Bezug nehmen. In diesem Fall müsste er einen komplexeren Ausdruck wie (3) verwenden, um die gemeinten Beispiele genau zu identifizieren:

(3)  Die in Kapitel 7 gegebenen Beispiele für abweichende Sätze sind wenig überzeugend.

Zwei Beispiele für fehlendes Wissen des Lesers

Fehlendes Wissen kann auch bei folgenden beiden Beispielen für Bezugnahme zu Problemen führen:

(4)  Stellvertretertheorien müssen zeigen, wie das Repräsentationsverhältnis zwischen Zeichen und Gegenstand hergestellt wird.

Der Ausdruck Stellvertretertheorien ist kein allgemein gebräuchlicher Ausdruck zur Kennzeichnung einer bestimmten Art von Bedeutungstheorie, so dass man normalerweise nicht sicher sein kann, dass ein nicht-spezialisierter Leser weiß, auf welche Arten von Theorien man damit Bezug nimmt.

Ähnlich verhält es sich mit Beispiel (5):

(5)  Austin erhält die am Anfang von "How to things with words" vertretene Auffassung vom Status der Konstative nicht aufrecht.

Wer nicht weiß, welche Auffassung Austin am Anfang des genannten Buchs vertreten hat, weiß nicht, auf welche Auffassung der Schreiber von (5) Bezug nimmt. Ein Leser mit diesem Wissensstand kann keine nähere Antwort geben auf die Frage: Um welche Auffassung geht es hier?

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3. Zwei Hauptprobleme beim Referieren und zwei Tipps

Referenzprobleme gehören zu den häufigsten und unangenehmsten Problemen für die Verständlichkeit von Texten. Das gilt auch für Texte, die im Zusammenhang des Studiums geschrieben werden.

Aus den im vorgehenden Abschnitt genannten Bedingungen für das erfolgreiche Referieren lassen sich zwei Hauptprobleme und zwei dazugehörige Tipps ableiten.

1.
PROBLEM Genauer Bezug:
Der Schreiber benutzt zum Referieren auf einen Gegenstand einen Ausdruck, der den Gegenstand nicht genau genug identifiziert. In diesem Fall kann der Leser nicht wissen, genau welchen Gegenstand der Schreiber meint. Das macht möglicherweise einen ganzen Textabschnitt unverständlich.
TIPP Überlegen Sie sich, welcher Ausdruck geeignet ist, den von Ihnen gemeinten Gegenstand genau zu identifizieren. Verwenden Sie gegebenenfalls einen komplexeren Nominalausdruck, um den Kreis der möglichen Gegenstände einzuschränken. Schreiben Sie also statt das Problem gegebenfalls das Problem der Komplexität oder das Problem der Komplexität der Nominalphrase. Bedenken Sie dabei allerdings, dass solche komplexen Ausdrücke die Lesbarkeit Ihres Textes vermindern können.

2.
PROBLEM Wissensvoraussetzungen:
Der Schreiber benutzt zum Referieren auf einen Gegenstand einen Ausdruck, dessen Verwendung ein Wissen voraussetzt, das der Leser nicht hat. Auch in diesem Fall kann der Leser nicht wissen, welchen Gegenstand der Schreiber meint. Auch das macht möglicherweise einen ganzen Textabschnitt unverständlich.
TIPP Versuchen sie beim Referieren das Wissen möglicher Leser zu kalkulieren. Fragen Sie sich, ob der Leser das wissen kann, was Sie bei der Bezugnahme auf einen Gegenstand voraussetzen.
Speziell beim Schreiben von Zusammenfassungen muss man beachten, dass die Leser normalerweise den Ausgangstext der Zusammenfassung nicht kennen, so dass man das im Ausgangstext vermittelte Wissen nicht voraussetzen kann.

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4. Übungen zum erfolgreichen Referieren auf Gegenstände

Aufgabe 1

Im einleitenden Kapitel zu einem Buch von Manfred Muckenhaupt findet sich folgender Abschnitt:

"Die Förderung und Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten und das Vermitteln von Einsichten in Zusammenhänge sprachlichen Handelns sind in den letzten Jahren als allgemeine Lernziele des Primärsprachunterrichts anerkannt worden. Schüler sollen befähigt werden, erfolgreich an Kommunikationen teilzunehmen, selbst angemessen sprachlich zu handeln und die Handlungen ihrer Partner besser zu verstehen. Das vorliegende Buch zeigt am Beispiel von zwei Unterrrichtseinheiten, welche Aufgaben sich bei der Konkretisierung der allgemeinen Lernziele stellen und wie diese Aufgaben bewältigt werden können."
(Muckenhaupt, Manfred: Lernziel sprachliches Handeln. Beispiele für einen kommunikativen Sprachunterricht in der Sekundarstufe I. München 1978, 9)

Eine studentische Zusammenfassung des Einleitungskapitels beginnt mit folgendem Satz:

(1)  Muckenhaupt beschäftigt sich in seinem Buch mit der Konkretisierung der allgemeinen Lernziele.
Aufgabe 1 - Zur Musterlösung
Geben Sie an, welche Frage sich der Leser der Zusammenfassung in Bezug auf die erwähnten Lernziele stellen wird, und geben Sie mindestens eine bessere Formulierung für (1), die diese Frage beantwortet.

Aufgabe 2

Eine kurze Zusammenfassung eines Buches beginnt mit den folgenden Sätzen:
(1) Die im ersten Kapitel des Buches diskutierten Probleme können hier nicht näher behandelt werden. (2) Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Zentralgedanken von "Über Sinn und Bedeutung". (3) Im weiteren Verlauf des Texts werden auch die wichtigsten instrumentalistischen Bedeutungstheorien behandelt.

Aufgabe 2 - Zur Musterlösung
Erläutern Sie, warum diese Zusammenfassung für einen Studienanfänger schwer zu verstehen ist. Zeigen Sie zu diesem Zweck, welches Wissen ein Leser haben müsste, der den Bezug der kursiv ausgezeichneten Ausdrücke in diesem Text genau verstehen wollte. Warum ist der Text vielleicht trotzdem nicht ganz nutzlos für einen Leser, der dieses Wissen nicht hat?

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5. Literatur

Searle, John R. (1971): Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt am Main. (Kap. 2, Abschnitt 3 und Kapitel 4).

Fritz, Gerd (1982): Kohärenz. Grundfragen der linguistischen Kommunikationsanalyse. Tübingen. (Kap. 6: Reden über).

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